Alle burgenländischen PflichtschülerInnen, bei denen in Deutsch, Mathematik, Englisch oder in den Minderheitensprachen die Gefahr einer negativen Beurteilung besteht, sollen ab nächstem Schuljahr das Angebot einer kostenlosen Nachhilfe erhalten. Diese Initiative für Volksschulen, Mittelschulen und Polytechnische Schulen, die von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil vor etwa einem halben Jahr angekündigt wurde, wird nun wie versprochen umgesetzt. Denn: „Die Ausgaben für private Nachhilfe sind eine große finanzielle Belastung für die Eltern. Aber schulischer Erfolg und die Zukunft der Kinder dürfen nicht von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängig sein“, betonte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil heute, Dienstag, bei einer Pressekonferenz bei der er die Details dieses sozial- und bildungspolitischen Meilensteins gemeinsam mit Bildungslandesrätin Daniela Winkler und Bildungsdirektor Heinz Josef Zitz präsentierte. Der Kernpunkt: Die Nachhilfe soll mit Lehrpersonal im Rahmen der Schule organisiert werden und in Form von Einzel- bzw. Kleingruppenunterricht stattfinden. Dazu schafft das Land 32 zusätzliche Dienstposten für Lehrkräfte.
„Wir sind seit jeher mit einem Bildungssystem konfrontiert, das sehr starr ist. Wir versuchen, im Land gestalterisch einzugreifen, um den Unterricht der Lebensrealität und den Bedürfnissen der SchülerInnen anzupassen, damit jede Schülerin, jeder Schüler das Schuljahr positiv abschließen kann. Hier legen wir ein System auf den Tisch, wo wir die Nachhilfe in den Pflichtschulen, die in unserer Kompetenz liegen, direkt anbieten und die Eltern sie nicht aus dem privaten Sektor zukaufen müssen“, so Landeshauptmann Doskozil, der sich mit einem Appell direkt an den Bund richtete: „Wir haben die Lehrkräfte und Mittel, um diese Initiative umzusetzen. Wir zeigen, dass es geht, und ich appelliere an den Bildungsminister, dieses Nachhilfeangebot auch für die Bundesschulen ins Auge zu fassen, wo der Bedarf an kostenloser Nachhilfe sicher genauso groß ist – vor allem, wenn es in Richtung der Matura geht.“
Bildungslandesrätin Daniela Winkler verwies auf die ausgezeichneten Ergebnisse des Burgenlandes bei der Zentralmatura, wo in Mathematik und Englisch im Bundesländervergleich die meisten „Sehr gut“ erzielt wurden, und ergänzte: „Wir wollen nicht nur einzelne Maßnahmen setzen, sondern das gesamte Bildungssystem im Burgenland verbessern, um unsere SchülerInnen auf das Leben so gut wie möglich vorzubereiten. Sei es mit dem Gratiskindergarten, dem kostenlosen Englischunterricht für alle oder auch mit den Lern- und Feriencamps, die heuer unter dem Titel ,Fit4Diversity‘ um ein Angebot für Kinder mit individuellen Bedürfnissen erweitert werden. Unsere Kinder dürfen nicht unter der Teuerung leiden. Wir schauen darauf, dass alle Kinder gute Bildungschancen haben – egal, aus welchem finanziellen Umfeld sie kommen.“
Nachhilfeangebot, sobald die Frühwarnung kommt
Bildungsdirektor Heinz Josef Zitz erklärte die Vorgangsweise: „Konkret erhalten Eltern ab dem Schuljahr 2023/24, sobald bei einer Schülerin oder einem Schüler ein negativer Leistungsabfall festgestellt wird, gemeinsam mit der Frühwarnung das Angebot der kostenlosen Nachhilfe in der Schule. Dann können sie ihr Kind bei der Klassenlehrerin bzw. beim Klassenlehrer für die Nachhilfe anmelden. Die SchülerInnen können die Nachhilfe in einem oder mehreren Fächern in Anspruch nehmen – die Nachhilfe sollte aber sinnvoll gestaffelt stattfinden.“
Das Angebot umfasst einen Acht-Stunden-Block und ist bedarfsorientiert und flexibel gestaltet: Je nach Lernstand des Kindes können die vollen acht Stunden oder weniger in Anspruch genommen werden, aber auch eine Erweiterung um acht Stunden ist möglich. Vorgesehen sind Nachhilfestunden in Gruppen von zwei bis vier SchülerInnen. Die Nachhilfe findet außerhalb des Unterrichts oder der Lernstunden statt, etwa im Rahmen des Freizeitteils in der Nachmittagsbetreuung.
Aber nicht nur SchülerInnen mit Frühwarnung, sondern auch SchülerInnen, die eine Nachprüfung absolvieren mussten, ein „Nicht genügend“ im Zeugnis hatten und das Schuljahr wiederholen oder mit einem „Nicht genügend“ aufgestiegen sind, werden zum Schulbeginn über das Angebot der Nachhilfe informiert.
Der Fokus des Projekts soll neben den anderen Schulformen vor allem auch auf die Polytechnischen Schulen (PTS) gelegt werden: Denn hier sei ein positives Abschlusszeugnis für den Einstieg in die Lehre und die weitere Zukunft besonders wichtig, so Zitz.
Auch in den Allgemeinen Sonderschulen wird, sollte dies nötig sein, eine derartige Förderung ermöglicht.
32 neue Dienstposten und zusätzliches Stundenkontingent für Schulen
Für die kostenlose Nachhilfe wurden vom Land Burgenland – zusätzlich zum vom Bund vorgegebenen Dienstpostenschlüssel – 32 Dienstposten geschaffen. Alle Pflichtschulen haben für das Projekt ein zusätzliches Stundenkontingent erhalten. Die Projektkosten belaufen sich auf 1,95 Millionen Euro und werden zur Gänze vom Land getragen.
Das Angebot der Nachhilfe wird an jeder Pflichtschule durch die anwesenden Lehrkräfte ausgefüllt. Die Direktion ist für die Diensteinteilung der Lehrkräfte für die Nachhilfestunden eigenverantwortlich und hat für eine entsprechende Abstimmung von KlassenlehrerInnen und NachhilfelehrerInnen zu sorgen.
Die Entwicklung des Projekts wird von der Bildungsdirektion ständig evaluiert. Auf weitere Sicht geplant ist eine Erweiterung des Personalaufgebots für die kostenlose Nachhilfe, indem auch StudentInnen der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland für die Nachhilfestunden herangezogen werden.
Anspruch auf kostenlose Nachhilfe
Die kostenlose Nachhilfe soll jenen SchülerInnen angeboten werden, die Hilfe dabei brauchen, das Schuljahr positiv abzuschließen.
Anspruchsberechtigt sind:
SchülerInnen mit dem Erhalt einer Frühwarnung in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch oder Minderheitensprachen
SchülerInnen, die im Jahreszeugnis des Vorjahres in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch oder Minderheitensprachen mit „Nicht genügend“ beurteilt wurden
SchülerInnen, die den Besuch der aktuellen Schulstufe wiederholen
SchülerInnen der Volksschule, die rückgestuft werden bzw. denen eine Rückstufung droht
SchülerInnen, die aufgrund längerer Abwesenheit vom Unterricht, bspw. aufgrund von Krankheit, wesentliche Inhalte des jeweiligen Faches versäumt haben. Diese Bestimmung tritt nur in Ausnahmefällen in Kraft.
Für alle anderen SchülerInnen gibt es nach wie vor z.B.: die Begabtenförderung als alternative Förderung.
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